Am 3. Dezember durften wir am Wentzinger-Gymnasium einen ganz besonderen Besuch begrüßen. Nadja Klier und Ingo Hasselbach waren auf Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung zu Gast und berichteten uns sehr offen und eindrücklich von ihrer persönlichen Geschichte. Beide wurden in der DDR der 70er und 80er Jahre groß. Ingo Hasselbach wurde aus Protest zur DDR Punk und daher von der Stasi verfolgt. Er saß mehrfach in Haft, wo er sich radikalisierte und in die rechtsextreme Szene kam. Am Ende der DDR, in der Wendezeit und kurz nach der Wiedervereinigung war Ingo Hasselbach einer der führenden Neonazis Ostdeutschlands. Bemerkenswert war, wie er von dieser Zeit, von seinem Ausstieg und seinem heutigen Leben erzählte. Er gründete nach dem Ausstieg aus der Neo-Nazi-Szene eine Aussteigerorganisation, die sich heute noch um Menschen kümmert, die aus der rechtsextremen Szene aussteigen wollen.

Nadja Kliers Eltern waren führende Bürgerrechtler in der DDR und wurden daher ebenfalls verfolgt, von der Stasi beobachtet und inhaftiert. 1988 wurden ihnen mitgeteilt, dass sie am nächsten Tag das Land verlassen mussten. Für Nadja hieß das: Abschied von den Freundinnen und Freunden, in Erwartung, sie nie wieder sehen zu können. Es wusste ja niemand, dass ein Jahr später die Mauer fiel. Heute sind beide in der Filmbranche tätig.

In einer ruhigen und sehr ehrlichen Atmosphäre schilderten die beiden ihre Wege, ihre Erfahrungen und die Herausforderungen, mit denen sie konfrontiert waren und teilweise immer noch sind. Dabei ging es nicht nur um politische Einstellungen, sondern vor allem um persönliche Entwicklung, Zweifel, Veränderungen und die Frage, wie Menschen sich verändern können. Die Erzählungen waren emotional, nachdenklich machend und für viele von uns auch überraschend.

Besonders spannend war, dass wir Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit hatten, viele Fragen zu stellen. Diese Gelegenheit wurde intensiv genutzt. Es wurden Fragen zu den Gründen für den Einstieg in extremistische Strukturen, zu den Schwierigkeiten beim Ausstieg, zu Reaktionen aus dem Umfeld und zu den Konsequenzen für das eigene Leben gestellt. Das Pärchen beantwortete alle Fragen offen, respektvoll und ohne etwas zu beschönigen. Gerade diese Ehrlichkeit machte den Besuch so eindrucksvoll.

Der Vortrag zeigte eindrücklich, wie wichtig Aufklärung, kritisches Denken und gegenseitiger Respekt sind. Er machte deutlich, dass Extremismus oft komplexe Ursachen hat und dass es möglich ist, sich davon zu lösen – auch wenn dieser Weg nicht einfach ist. Für viele von uns war es eine wertvolle Erfahrung, solche Themen nicht nur theoretisch im Unterricht zu behandeln, sondern von Menschen zu hören, die sie selbst erlebt haben.

Insgesamt war dieser Besuch eine große Bereicherung für unsere Schulgemeinschaft. Er regte zum Nachdenken an, eröffnete neue Perspektiven und zeigte, wie wichtig es ist, miteinander ins Gespräch zu kommen. Wir bedanken uns herzlich bei Nadja Klier und Ingo Hasselbach für ihre Offenheit und ihren Mut, ihre Geschichte mit uns zu teilen.

Tim Schillinger (10b), Torsten Gass-Bolm