Daniel Neugebauer zum neuen Lernatelier. Ein Interview mit A. Druzba (Juni 2016)
Ab dem Schuljahr 2016/2017 führt das Wentzinger Gymnasium eine neue Form des freien Lernens ein: Das Lernatelier. Was ist das überhaupt? Wie würden Sie, für sich persönlich, ein Lernatelier definieren?
Herr Neugebauer (denkt nach): Ein Raum, in dem die Schüler individueller arbeiten können, differenzierter in kleinen Gruppen, und auch mal ganz andere Arbeits- und Sozialformen ausprobieren können, die im normalen Unterricht so gut wie gar nicht möglich sind.
Welche Möglichkeiten wird das voll ausgestattete Lernatelier den Schülern bieten können?
Im Lernatelier können andere Kanäle genutzt werden als im Unterricht, denn es wird nicht nur mit dem Buch gearbeitet, sondern neue Lernmöglichkeiten genutzt. Primär ist es für die Unter- und Mittelstufe gedacht. Es gibt zum Beispiel viele haptische Materialien, mit denen die Schüler gerade im freien Arbeitsbereich umgehen können. Zudem werden acht bis neun Computer dort zur Verfügung stehen, wodurch Onlineprojekte verfolgt werden können; so etwas ist in „normalen“ Unterrichtseinheiten viel schwieriger. Das Lernatelier bietet außerdem gute Möglichkeiten für die Flüchtlingsklasse hier im Wentzinger, die das Angebot mitnutzen können.
Wann wird die offizielle Eröffnung sein?
Auf den Tag genau kann ich es jetzt noch nicht sagen, aber die Hardware, sprich die Bestuhlung und die Möbel, sind bereits da. Was noch fehlt, sind die Arbeitsmaterialien, die jetzt peu a peu kommen, weil sie von den Fachschaften ausgesucht und bestellt werden mussten. Erstmal müssen sie den Bedarf anmelden: Was brauchen wir, was hätten wir gerne drin? Dann geht es durch die Finanzprüfung der Schulleitung und dann wird es eben bestellt. Wöchentlich kommen jetzt Pakete an mit dem Material und es wird voller und voller. So eine Sammlung wächst natürlich auch über die Jahre; das heißt, wir werden nicht mit 100% loslegen, sondern die Materialien im Laufe des nächsten Jahres immer wieder hier und da ergänzen. Geplant war, dass primär die „Teamteaching“- Klassen das Lernatelier aufsuchen dürfen – dann schauen wir, dass es immer mehr werden im Laufe der Zeit.
Also anfangs nur mit den Klassenlehrern. Darf man später auch mal alleine hin?
Ganz alleine ist ein Besuch erstmals nicht vorgesehen, zumindest nicht vormittags, weil wir eben keine permanenten Betreuungspersonen im Lernatelier haben, die bei Fragen und Problemen weiterhelfen könnte. Das heißt, dass der Lehrer, der etwa ein Drittel der Klasse beim „Teamteaching“ mitnimmt, verantwortlich ist für die Regeleinhaltung, die Versorgung mit Materialien für die Schüler und dergleichen. Nachmittags werden die Räumlichkeiten von dem Jugendbildungswerk mitgenutzt. Dort wird ein Betreuer vor Ort sein und dann besteht auch eher die Wahrscheinlichkeit, dass Schüler alleine rein dürfen.
Wann und von wem kam die Idee, dass man hier in der Schule ein Lernatelier benötigen könnte?
Von wem die Idee kam, kann ich natürlich nicht sagen. Die Anfänge dieser Arbeit liegen nämlich vor meiner Ankunft am Wentzinger Gymnasium vor knapp fünf Jahren. Bereits in der Planungsphase des Schulumbaus kam die Idee eines Lernateliers auf, konnte aber erst jetzt in den neuen Räumlichkeiten umgesetzt werden.
Gab es bei dem Lernatelier irgendwelche Inspirationen oder Vorbilder, beispielsweise das Kepler-Gymnasium?
Herr Neugebauer: Wir haben uns das Kepler angeschaut und waren auch beeindruckt von dem Konzept und der Durchführung, denn das ist ein sehr schön gestaltetes Lernatelier. Uns war aber relativ schnell klar, dass wir es an unserer Schule nicht so umsetzen können. Wir haben es schon immer wieder als Ideengeber genutzt, aber jetzt nicht in dem Sinne, dass wir sagen: „Das ist unser Modell, dem müssen wir hundertprozentig nacheifern“, weil wir wussten, dass wir das nicht machen können. Zum einen handelt es sich bei den Finanzen um eine ganz andere Größenordnung, zum anderen haben wir von den Räumen her nicht die Möglichkeit, es so wie sie zu realisieren. Hinzu kommt die personelle Besetzung: Das Kepler hat permanent Kräfte, die für die Aufsicht und Organisation bezahlt werden – diese Gelder sind bei uns nicht vorhanden.
Zu dem Thema Sanierung: Gab es da irgendwelche Konflikte beziehungsweise Verzögerungen bei dem Bau des Lernateliers?
Es ist ja immer noch nicht hundertprozentig ausgestattet. Konflikte gab es nicht; als wir mal eine Änderung wollten, mussten Dinge nachbestellt werden und es gab dann dementsprechend kürzere Verzögerungen, weil das noch mit dem Architektenteam geregelt werden musste. Aber das, was jetzt unten steht, das ist so, wie wir uns das vorgestellt haben.
Wie kam es dazu, dass Sie, Herr Neugebauer, die Verantwortung des Lernateliers bekamen?
Beim pädagogischen Tag vor etwa zwei Jahren hat sich eine Arbeitsgruppe damit beschäftigt, da war ich nicht dabei. An diesen Tagen gibt es so um die fünf bis sechs verschiedenen Themen und dann teilen sich die Lehrer sich dementsprechend auf. Vor anderthalb Jahren wurde dann die Stelle ausgeschrieben, und da ich mich beruflich weiterbilden möchte, dachte ich: „Da bewerbe ich mich drauf!“ Im Prinzip war es also eine Frage der beruflichen Weiterentwicklung, so bin ich dann da rein geschlittert. Seitdem arbeite ich da unter anderem mit Frau Casetou als Schulentwicklerin, der Schulleitung und der Realschule zusammen.
Ist Ihr Engagement für das Lernatelier also das Resultat von purem Ehrgeiz?
Eine gewisse Portion beruflicher Ehrgeiz spielt natürlich eine Rolle, doch dieser ist nicht alleine der Grund, warum ich mich mit dem Lernatelier beschäftige. Wer eine solche Aufgabe übernimmt, ohne auch Interesse an der Sache an sich zu haben, wird sehr schnell unglücklich mit seiner Aufgabe.
Was erwarten Sie von dem Lernatelier?
Ich hoffe, es wird genutzt; dass die Kollegen das Angebot annehmen, dass sie sagen: „Wir möchten das den Schülern bieten.“ Da hängt, glaube ich, eine ganze Menge dran, dass das Kollegium sagt: „Ich möchte diese Räumlichkeit, diese Materialien und diese Lernformen nutzen.“ Das wird eine Zeit dauern, weil wir uns da selber einarbeiten müssen, aber ich hoffe, dass das Lernatelier nach einem Jahr, was wir als Eingewöhnungszeit brauchen, ein fester Bestandteil unseres Unterrichts wird.